Netz-Junkie: "So überlebte ich ohne Handy und Web"
40 Tage ohne Handy und Internet? Geht das in unserer heutigen Zeit überhaupt noch? Der Berliner Journalist Christoph Koch hat es einfach ausprobiert und dabei erstaunliche Erfahrungen gemacht. Die Ergebnisse des digitalen Fastens hat er in dem Buch "Ich bin dann mal offline" veröffentlicht. Im krone.at-Interview spricht Koch über die Sehnsucht nach einer SMS, skurrile Begegnungen und wahre Freunde.
krone.at: Wie kommt man auf den Gedanken, 40 Tage lang komplett auf Handy und Internet zu verzichten?
Christoph Koch: Um ehrlich zu sein, ist die Idee ursprünglich gar nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich wurde am Anfang eher dazu gezwungen. Nach einem Umzug dauerte es ewig, bis in meiner Wohnung ein Internetanschluss gelegt werden konnte. Meine Freundin hat mich ausgelacht, weil ich diesen Zustand einfach nicht ausgehalten hab. Und dann habe ich in einem Anflug von Leichtsinn mit ihr gewettet, dass ich es locker einen Monat ohne Web und Handy aushalten würde. Am Ende wurden es sogar ein paar Tage mehr.
krone.at: Was vermisst man am meisten, wenn man 40 Tage lang auf Handy und Internet verzichtet?
Koch: Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Mir haben die SMSen gefehlt, die meine Freundin mir geschrieben hat. Aber auch so banale Dinge wie die Suche per Google gingen mir extrem ab. Auf einmal musst du sehen, woher du Informationen bekommst, die du sonst in ein paar Sekunden auf deinen Bildschirm zauberst. Plötzlich musst du den Schulatlas herausholen, um nachzuschauen, was die Hauptstadt von Nicaragua ist. Und die Adresse von deinem nächsten Interviewpartner kannst du nur noch dank der guten alten Telefonauskunft herausbekommen.
krone.at: Welche Offline- Erfahrung war die schönste während deiner Fastenzeit?
Koch:Am Anfang hatte ich noch ständig das Gefühl, etwas zu verpassen, seien es wichtige Nachrichten oder die tollsten Partys. Aber nach zwei Wochen war diese Angst auf einmal weg und ich habe eine innere Ruhe und einen Frieden gespürt, die ich schon lange nicht mehr hatte. Denn wirklich wichtige Dinge, so habe ich gemerkt, erreichen mich letzten Endes doch. Zum Beispiel die Einladung zum Geburtstag eines guten Freundes, die nur per Facebook verschickt worden war. Eine Freundin von mir hatte zum Glück mitgedacht und mir dann einfach von dem Termin erzählt. In gewisser Weise ist das Offline- Sein wie ein Filter. Jeden Tag prasseln unzählige Dinge auf einen ein, die vorgeben, wichtig zu sein. Was aber wirklich zählt, merkt man erst in der Stille. Genau so wird einem klar, welche Freunde wirklich wichtig sind. Nämlich diejenigen, zu denen man trotz der Kommunikations- Widrigkeiten Kontakt hält.
krone.at: Hat man als Offliner eigentlich mehr freie Zeit, weil man nicht mehr den ganzen Tag mit sinnlosem Herumsurfen verbringt?
Koch: Nein, das hält sich in etwa die Waage. Die Zeit, die ich an der einen Stelle spare, brauche ich dann eben woanders. Oder anders ausgedrückt: Ich habe meine Zeit nicht bei Facebook verbracht, sondern damit, dass ich zum Bahnhof fahre, um mir ein Zugticket zu kaufen – statt es einfach mit ein paar Klicks online zu bestellen.
krone.at: Was war deine skurrilste Erfahrung während des Fastens?
Koch: Ich war zu der Lesung eines Freundes in eine abgelegene Villa in Berlin eingeladen. Als ich pünktlich dort ankam, ging ich durch die geöffnete Tür in den Saal. Das Licht war an, die Stuhlreihen waren aufgestellt, aber keine Seele war dort. Nur eine Katze. Das war eine Szene wie aus einem Horrorfilm oder einen Traum. Ich dachte mir: 'Was, wenn jetzt vielleicht doch ein tödliches Virus ausgebrochen ist, aber ich das nicht mitbekommen habe, weil ich keine Nachrichtenseiten mehr lese?" Am Ende kam dann aber heraus, dass ich einen Tag zu früh dort war. Als Handybesitzer kann man sowas in zehn Sekunden klären, als Offliner eben nicht.
krone.at: Wie lautet dein Fazit nach 40 Tagen Fasten? Ist es heutzutage überhaupt noch möglich, ohne Handy und Internet zu leben?
Koch: Auf das Handy kann man, glaube ich, verzichten, zumindest kenne ich genügend Leute, die das schaffen. Aber ohne Internet kommt man sicherlich nicht mehr aus. Unsere Gesellschaft hat sich eben völlig darauf eingestellt. Anders wäre es, wenn ich mit Menschen zusammenleben würde, die ebenfalls darauf verzichten, so wie beispielsweise die Amish in Amerika. Nur dann könnte es klappen.
krone.at: Du hast dir nach deinem Experiment einige freiwillige Beschränkungen auferlegt, um der Hatz des digitalen Lebens immer mal wieder zu entkommen. Hältst du dich nach wie vor daran?
Koch: Um ehrlich zu sein, habe ich viele der guten Vorsätze schon wieder gebrochen. Wenn ich nach Hause komme, schalte ich wieder als Erstes den Computer ein, und während ich telefoniere, surfe ich nebenbei im Internet. Aber es gibt auch Fortschritte. Als ich kürzlich mein iPhone verloren habe, habe ich mir als neues Gerät kein Smartphone gekauft, sondern einen altmodischen Handyknochen, mit dem man nur telefonieren und SMSen kann. Außerdem versuche ich nach wie vor einen Tag in der Woche auf Handy und Internet zu verzichten, und das klappt auch ganz gut.
krone.at: Würdest du dich trauen, noch einmal 40 Tage auf Internet und Handy zu verzichten?
Koch: Nein, so lange halte ich es nicht noch einmal durch. Aber das ist auch gar nicht nötig. Das Wichtigste ist, dass ich erkannt habe, dass es nicht die Technologie ist, die mich stresst, oder irgendwelche anderen Leute, die mit mir kommunizieren wollen – sondern ich selbst. Ich hab es in der Hand, ob ich mich von der Technik einengen lasse oder nicht. Wenn es mir zu viel wird, dann schalte ich mittlerweile einfach aus.
Interview: Tobias Pusch
Christoph Koch: "Ich bin dann mal offline. Ein Selbstversuch. Leben ohne Internet und Handy", erschienen im Blanvalet- Verlag. 272 Seiten, 13,40 Euro. ISBN: 978- 3764503741
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thegreen_elevator - 26. Sep, 10:32